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Der Wille in der Psychosynthese

Dank dem freien Willen können die Menschen sich jederzeit verändern. So ist es wichtig herauszufinden, was überhaupt der persönliche Wille ist. Assagioli erklärte: "Die Erfahrung des Willens geschieht in drei Phasen: Die erste ist die Erkenntnis, dass der Wille existiert. Die zweite betrifft die Einsicht, dass der Mensch einen Willen hat. Und die dritte, das der Mensch ein Wille ist. Erst der erkannte eigene, freie Wille kann einem anderen, höheren Willen eigenständig und differenziert gegenübertreten: Erst dann kann ich die höheren ethischen Prinzipien erkennen und als für mich gültige Gesetze des Lebens verinnerlichen."

Durch den Willen erhält der Mensch die Möglichkeit der Wahl und findet seinen Weg. Wille muss jedoch nicht Schwerstarbeit sein.

Unsere Haltung gegenüber der Bedeutung des Willens begann sich zu verändern, als sich in der westlichen Kultur das Bewusstsein für psychologische Vorgänge und Zusammenhänge zunehmend entfaltete.

Die Menschen meinten, es sei der Wille, der das Leben beherrsche und kontrolliere. In Wirklichkeit wurde jedoch dieser Wille mit Faktoren gelenkt und dominiert, die völlig unbewusst und unerkannt blieben. Die Vorherrschaft des Willens geriet ins Wanken. Schliesslich schickte man ihn kurzerhand ins Exil, in das Land der Schande und Bedeutungslosigkeit.

 

Wir brauchen den Willen

Den Willen zu verteufeln, war ein Fehler, da der Wille in seiner wahren Bedeutung ein ganzes Heer menschlicher Errungenschaften begründet, während sein Fehlen Unmengen psychischer Störungen verursacht. Wenn wir den Willen in der richtigen Perspektive betrachten, ist er mehr als jeder andere Faktor der Schlüssel zur menschlichen Freiheit und persönlichen Macht.

So betrachtet, kann der Wille als Ausdruck der Autonomie gesehen werden, das heisst: Es ist die Fähigkeit eines Organismus, frei nach der eigenen wesentlichen inneren Natur zu handeln und nicht unter dem Zwang äusserer Umstände.

Es stimmt, dass wir uns in Vielem äusserem Druck beugen: sozialen Zwängen und Beschränkungen, Werbung, Antrieben usw. Wir verfallen Gewohnheiten und handeln nach Automatismen. Weniger häufig kann es auch passieren, dass wir nur aufgrund instinktiver Mechanismen agieren. Wir reagieren also, anstatt zu agieren.

Doch - und das ist das Neue und Ungewöhnliche: Wir können auch neues Verhalten erfinden.

Wir können tatsächlich frei wählen und damit die volle Verantwortung unserer Selbstbestimmung übernehmen.

Diese evolutionäre Errungenschaft, die noch sehr in der Entwicklung begriffen ist, nennen wir Wille.

Für jeden von uns gibt es Zeiten, wo wir mit Situationen konfrontiert werden, die uns dazu auffordern, unseren Willen zu benutzen. Wenn wir dieser Aufforderung folgen, steigt unsere "psychische Volt-Zahl" an und wir erlangen grössere Freiheit. Lehnen wir hingegen die Aufforderung ab, werden wir von den Umständen des Lebens oft erdrückt.

Ein allgemeines Prinzip sagt: Jedesmal, wenn der Wille geleugnet, unterdrückt oder vergewaltigt wird, oder wenn er sogar nicht existiert, treten psychische Leiden und Störungen auf.

 

Die Qualitäten des Willens

Der Wille ist aktiv und dynamisch. Das Bewusstsein ist passiv. Doch Wille ohne Bewusstheit ist nicht möglich. Bewusstsein ohne Wille ist möglich. Mit Bewusstheit weiss ich, was meine Gefühle (Bewusstheit, was da ist), Intuitionen und Emotionen sind. Ohne Wille passiert jedoch gar nichts. Wir erwachen nicht eines morgens und unser Wille ist entwickelt. Wir brauchen den Willen, um den Willen zu entwickeln. Den Willen müssen wir schulen. Über den Willen gelangen wir zu mehr Bewusstheit. Wir brauchen das Bewusstsein um damit die Bewusstheit mit dem Willen zu nutzen.

 

Übung Wille:

Entspanne dich und überlege dir, wann du im Leben ganz bewusst eine Entscheidung getroffen hast. Wie hat diese willentliche Entscheidung dein Leben beeinflusst, deinen Beruf oder die zwischenmenschliche Beziehung? Welche Qualität hat dieser Entscheid? Wie fühlst du dich dadurch im Körper, in deinen Gedanken und Gefühlen?

 

Übung Willenlos:

Stelle dir eine Situation vor, in der du dich willenlos fühltest. Wie fühlte sich diese Situation an? Was ging in deinen Gedanken vor, wie sahst du aus dieser Perspektive deine Umwelt? Wie waren deine Gefühle? Wie alt fühltest du dich in dieser Willenlosigkeit?

Wenn wir das Gefühl von willenlos haben, sind wir im Opfer. Da zeigen sich: Enge, (Ver)zweiflung, sich verlieren, nicht handeln können, machtlos, Selbstverachtung, Flucht, Leiden, ohnmächtige Wut, Aggression. Wir fühlen uns als Kind. Wenn wir unseren Willen abgeben, fühlen wir uns hilflos, abhängig. Da übernehmen wir keine Verantwortung für uns. Ich bin das Opfer.

Verantwortung zu übernehmen ist einfach!

Verantwortung nicht zu übernehmen, ist viel schwieriger!

 

Überprüfung des Willens

Schaue dir deinen eigenen Willen genau an:

  • Kommt es häufig vor, dass du deinen Willen dem anderer Menschen beugst?

  • Dein Wille durch deine Gefühle überwältigt wird, wie zum Beispiel durch Depression, Wut oder Angst?

  • Dein Wille durch deine Trägheit eingelullt wird?

  • Dein Wille durch Gewohnheiten gelähmt wird?

  • Dein Wille sich durch Ablenkung auflöst?

  • Dein Wille von Zweifeln zernagt wird?

  • Du deinen Willen anderen aufzwingen willst?

  • Machst du im allgemeinen das, was du willst, oder ist deine Willensentscheidung von anderen Faktoren, als jene deiner Überzeugung abhängig?

Trotz vieler Hindernisse ist die Entdeckung des Willens eine wichtige und elementare Erfahrung. Die einfachste Art, diesen Prozess zu erleichtern, besteht darin, den Willen zu gebrauchen. Das hilft dir, ihn zu entdecken und zu verstärken. Jeder Moment deines Lebens bietet dir dazu Gelegenheit. So betrachtet, wird das Leben zu einem Laboratorium, in dem du mit dem Willen experimentieren und ihn entwickeln kannst.

 

Der Wille im Alltag

Versuche, die eine oder andere Übung für dich zu machen mit der Idee dahinter, weder dich noch andere auf irgendeine Art zu verletzen.

  • Mache etwas, das du vorher noch nie getan hast.

  • Mache für dich einen Plan und führe diesen auch durch.

  • Setze eine Tätigkeit noch weitere fünf Minuten fort, auch wenn du bereits müde oder unruhig bist und Lust hast, etwas anderes zu tun.

  • Sage "nein", wenn es richtig ist, "nein" zu sagen, es jedoch leichter wäre "ja" zu sagen.

  • Wenn du vor einer kleinen Entscheidung stehst, entscheide dich schnell und ohne Zögern.

  • Vollbringe eine mutige Tat.

  • Handle gegen jegliche Erwartungen.

  • Führe die Sache aus, die für dich von allen die wichtigste ist.

  • Benimm dich unabhängig davon, was die anderen sagen oder denken könnten.

  • Mache etwas ganz langsam, wie im Zeitlupentempo.

  • Sage etwas nicht, was du versucht bist zu sagen. Sage etwas, das zwar sehr schwierig, jedoch richtig ist zu sagen.

  • Entferne etwas Überflüssiges aus deinem Leben.

  • Verschiebe etwas, das du am liebsten sofort tun würdest.

  • Beginne sofort mit etwas, das du aus Angst oder Bequemlichkeit lieber verschieben würdest.

  • Mache etwas mit vollkommener Aufmerksamkeit und Intensität, als wäre es das letzte Mal.

  • Mache etwas, wovor du Angst hast.

  • Breche mit alten Gewohnheiten.

Jede x-beliebige Handlung kann in eine Willens-Übung umgesetzt werden, vorausgesetzt, sie stellt keine Gewohnheit dar und wird nicht als Pflicht empfunden. Auf diese Weise wird ein positiver Prozess in Bewegung gesetzt; die Entdeckung deines Willens wird dich dazu befähigen, weitere Willens-Handlungen durchzuführen.